Zitate - Brigitte Reimann über ihre Arbeit an dem Jugendroman Die Denunziantin und die Förderung O. B. Wendler

11.02.53
„Mir erscheint jetzt, da mein Leben so reich und  so ausgefüllt ist, nur der Tag sinnlos und vergeudet, an dem ich keine Zeile geschrieben oder sonst irgendwie an meinem 'Werk' gearbeitet habe. Du erinnerst Dich wohl, dass ich Dir schon früher von meinen schriftstellerischen Versuchen erzählte; vielleicht deutete ich auch im letzten Briefe schon an, dass ich an einem Jugendroman Die Denunziantin schreibe. Ich habe hier in Burg einen Mäzen gefunden: den bekannten Schriftsteller O.B. Wendler, der mich außerordentlich fördert (im erfreulichen  Gegensatz zu anderen jungen Autoren, die er in seiner ironischen Art scharf kritisiert, was die meisten nicht vertragen), weil er sich viel von mir verspricht.
Auch bei mir ging nicht alles glatt. Ich habe bis vor kurzer Zeit einen unmöglich schwülstigen Ausdruck gehabt, den mir Wendler unbarmherzig vorwarf, bis ich meine Fehler mit Schrecken erkannte und eine ganz neue Bahn beschritt – eben mit meiner Denunziantin, von der Wendler begeistert ist. Kürzlich wurde in unserem Bezirk ein Verband junger Autoren gegründet, dessen Vorsitzender der Schriftsteller Brennecke ist. Ich wagte in einem Anfall von Bescheidenheit nicht, mich um Aufnahme zu bewerben, aber das erledigte Wendler für mich, denn eines Tages bekam ich eine Schreiben vom Schriftstellerverband, das mich zur ersten Autorentagung einlud. Welche Freude und auch Ehre mir da bedeutet, wirst Du ermessen könne, wenn du weißt, dass in der ganzen DDR nur ca. 300 Schriftsteller im Verband sind. Wendler hatte ohne mein Wissen die ersten vier Kapitel meiner Denunziantin dem Autorenverband eingereicht, und unser Vorsitzender fand sie so großartig, dass er sofort ihren Druck in einer 'Anthologie junger Schriftsteller' in die Wege leitete.“ (S. 156)

10.03.53
„Wie Du weißt, schreibe ich an einem Jugendroman. Wendler ist begeistert davon, unser Vorsitzender Wolf D. Brennecke dito. Sie haben mir geraten, bis zum 1. September die Paukerin weiterzuspielen, währenddessen die Denunziantin zu Ende zu schreiben (die mir 5-6000 eintragen wird), mich mit dem Honorar zur Ruhe zu setzen und erst einmal ein Jahr lang als freie Schriftstellerin zu arbeiten, damit man beurteilen kann, ob meine Begabung tatsächlich da hält, was sie verspricht.
Ich habe mit meinen Eltern gesprochen, und sie sind – ich glaube wieder an Wunder! – mit dem Plan einverstanden (wahrscheinlich, weil der Name Wendler dahintersteht!). Jetzt gibt es freilich noch ein paar Monate angestrengter Arbeit, bis die Denunziantin vollendet ist, aber dann – oh, Freiheit! Oh, Glück, endlich arbeiten zu dürfen! Unendlich viel hängt von diesem einen Probejahr ab. Zwei Wege nur gibt es noch für mich: den in eine tiefe, nie zu überwindende Enttäuschung – oder den in eine strahlende Zukunft voll Arbeit und Glück – und Freude am Schaffen! Kannst Du Dir vorstellen, was das für mich bedeutet: Tag und Nacht in meinem Zimmer sitzen und schreiben dürfen – nur und nur schreiben, soviel, so oft es mir Freude macht?! Ich könnte mir auf dieser Erde wahrhaftig kein höheres und reineres Glück erträumen“  (S. 160)    

Briefwechsel mit Veralore Schwirtz: Aber wir schaffen es, verlaß Dich drauf!