Zitate - Brigitte Reimann über den bevorstehenden Umzug von Hoyerswerda nach Neubrandenburg

17.02.66
"(...) Übrigens tragen wir uns mit vagen Umzugsplänen. Beim Verlag hat ein Schriftsteller aus Neubrandenburg mit mir gesprochen, um uns abzuwerben. Sein Bezirk rührt mächtig die Trommel... Wir hätten schon  Lust, mal wieder die Tapeten zu wechseln, auf die Dauer ist Hoyerswerda auch eine Geißel Gottes." (S. 227)

04.01.66
"Es war doch ein merkwürdiges Gefühl, als wir um zwölf Uhr aus dem Fenster sahen und uns sagten, daß das nun die letzte Silvesterfeier in der alten Heimat ist. Von Spremberg aus kann man das Kombinat sehen und hören, und die Kraftwerke begrüßten das neue Jahr, indem sie zwölfmal hintereinander Dampfstöße ausströmen ließen – das ist ein durchdringendes Geräusch, das irgendwie an Meeresbrandung erinnert. Komisch, was man so alles vermissen wird, wenn man hier erst einmal weg ist!" (S. 237)

09.08.68
"Ich denke jetzt oft an früher, an die Zeit vor fünf und vor zehn Jahren, als wir hierherkamen. Alles schmeckt nach Abschied... Merkwürdig, wie man sein Herz an diese öde Landschaft gehängt hat, an diese unmögliche Stadt, an die Leute – Gott weiß was. Wenn ich denke, daß nur ein paar Blöcke in einer Sandwüste standen, als wir hierherkamen, und jetzt ist es eine Stadt von fast sechzigtausend Einwohnern, und das Kombinat ist ein riesiger Komplex geworden." (S. 255)

Elten-Krause, Elisabeth/Lewerenz, Walter: Brigitte Reimann in ihren Briefen und Tagebüchern

31.03.66
"(...) Wir sind unten durch, wie man sagt. Mir kann man finanziell nichts anhaben, kann keine Aufträge entziehen. Dafür fängt das Theater wegen der Wohnung an. ('Die Bevölkerung fordert') Macht nichts. Wir ziehen sowieso nach Neubrandenburg. Sprach in Berlin mit Wohlgemuth. Wir sind willkommen, denke jetzt also endlich an Umzug." (S. 187)

11.09.68
"Am Montag sind wir aus Neubrandenburg zurückgekommen. Die Wohnung ist endlich erkämpft, umgebaut, hergerichtet, wenn auch noch in chaotischem Zustand. Am 23. wollen wir umziehen, der Möbelwagen war bestellt." (S. 215)

18.11.68
"Der letzte Tag in Hoy. 6 Uhr früh; gleich kommt der Möbelwagen. Die allmorgendlichen Geräusche, Schritte auf der Treppe, M.s überlautes Radio, B.s Husten (deutlich zu hören durch den Luftschacht), der Lärm der Baumann-Kinder. Ilse hat geweint. Gestern abend, mitten im Chaos, noch einmal Schmidts zu Besuch." (S. 219)

Reimann, Brigitte: Alles schmeckt nach Abschied. Tagebücher 1964-1970