Zitate - Tagebucheinträge zur Trennung von Jon [K...]

21.05.69
"Gestern wieder ein herzzerreißender Abschied von Jon […]. Diese Trennung macht uns ganz krank. Ich bin eifersüchtig auf seine Arbeit - jedenfalls liefert sie mir den Vorwand, meinen Kummer und Zorn abzuladen. Zwei Tage sehen wir uns, - im Abstand von zwei Wochen. Die Ankunft schließt immer schon den Abschied ein, wir sind gereizt, Jon ist müde von der langen Reise, wir sprechen, erzählen, aber wir haben keine gemeinsamen Erlebnisse mehr, […] unsere Umarmungen sind wild wie aus Angst. Nachholen, vorwegnehmen.
Das verdammte Haus, in dem Jon wohnen soll, wird und wird nicht fertig - und wenn’s endlich soweit ist, hat man wahrscheinlich (zum drittenmal) die versprochene Einweisung vergessen. Ich bin wütend auf alle Welt."

Burg, 03.06.69

"Vorige Woche VI. Schriftsteller-Kongreß. J[on]. holte mich von Berlin ab, zwei Tage in N[eubrandenburg], wieder schreckliche Szenen; ich war hysterisch nach all den Erlebnissen in Berlin […]. Wir sprachen sogar über Scheidung, wenn auch ungläubig […]. Gestern, als er mich in Berlin an den Zug brachte, brachen wir beinahe in Tränen aus, konnten uns eben noch zurufen: Aber ich liebe dich doch, es wird wieder gut werden, es wäre schade um unsere Ehe."

11.09.69
"Inzwischen muß ich mir immer wieder sagen, vorsagen: Ich war mit Benjamin Trojanowicz verheiratet. Ich habe eine literarische Figur geliebt. (Übrigens hat mir Jon das schon vor einem Jahr gesagt, nur, damals wollte ich es nicht glauben, das heißt: er sollte meinem Bild von ihm gleichen. Ich erinnere mich, daß ich nach einer Auseinandersetzung über dieses Thema seine Worte aufgeschrieben habe, um sie später in meinem Buch zu verwenden. Der unschuldige."

Berlin, 16.09.69
"Ich wollte sagen: der unschuldige Zynismus der Schriftsteller. […]"

Reimann, Brigitte: Alles schmeckt nach Abschied. Tagebücher 1964-1970